Die Entwicklung des Erinnerungsforums
Das Projekt Erinnerungsforum entstand 2008 auf Initiative einer Gruppe von Anfal überlebenden Frauen
in Rizgari. Konkrete Auslöser waren die Empörung der Frauen über ein ohne Abstimmung mit ihnen von der
Kurdischen Regionalregierung errichtetes Anfal-Denkmal, von dem sie sich nicht repräsentiert sahen, sowie
eine von HAUKARI e.V. mit Unterstützung von IFA -projekt zivik organisierte Reise von zwei Anfal überlebenden
Frauen nach Deutschland und die Teilnahme der Gäste an einer Gedenkfeier im ehemaligen Frauen-Konzentrationslager
Ravensbrück. Nach ihrer Rückkehr gründeten die Frauen das Komitee für ein Erinnerungsforum in Rizgari, dem
Anfal überlebende Frauen und UnterstützerInnen angehören.
Diskussion über Statuenmodelle, Juni 2012
Seit 2009 engagieren sich mehr als 100 Frauen kontinuierlich in dem Projekt. Im Rahmen des Projektes
haben sie sich kontinuierlich getroffen, ihre Erinnerungen ausgetauscht und ihre
Selbsthilfestrukturen gestärkt.
Sie haben mit lokalen KünstlerInnen und ArchitektInnen und deutschen BeraterInnen diskutiert und ihre
Erinnerungen in Gestaltungsentwürfe für das Erinnerungsforum gebracht.
Sie haben bei politischen und zivilgesellschaftlichen Organisationen um Unterstützung geworben und mit der
kurdischen Regionalregierung über die bauliche Umsetzung verhandelt.
In der Region Germyan haben sie breite Zustimmung erfahren, von Anfal überlebenden Frauen, Männern und der
zweiten Generation. Nach wie vor ist das Projekt von Frauen getragen und wird die spezifische Erfahrung von
Frauen repräsentieren; das Forum soll aber ein sozialer und Erinnerungsort für alle Überlebenden sein.
Durch zahlreiche öffentliche Veranstaltungen wurde das Projekt in der ganzen kurdischen Region und
darüberhinaus bekannt und gelangten die Stimmen und Forderungen Anfal überlebender Frauen in die
Medien und die breite Öffentlichkeit.
Ausstellung Rizgari, April 2011 - Anfal-Überlebende zweiter Generation zeigt ihren Kindern die Fotos
Ausstellung Rizgari, April 2011 - Anfal-Überlebende diskutieren Statuen-Modelle
Ausstellung Erbil, Oktober 2011 - Der Minister für Märtyrer und Anfal der Kurdischen Regionalregierung eröffnet die Ausstellung
Ausstellung Erbil, Oktober 2011 - Anfal-Überlebende im Gespräch mit der Presse
Ausstellung Sulaimania im ehemaligen Sicherheits- gefängnis des Ba'ath Geheimdienstes, Juni 2012
Ausstellung bei den Gedenkfeiern zum Jahrestag Anfal in Rizgari, 15.4.2012
Ausstellung Rizgari, 2012
Ausstellung Rizgari, 2012
Ausstellung Rizgari, 2012
Ausstellung Rizgari, 2012
Delegation Anfal bei der Gedenkfeier zur Befreiung des KZ Ravensbrück, April 2009
Mehrfach kamen Anfal-Überlebende und andere Projektbeteiligte im Rahmen des Projektes nach Deutschland,
nahmen an Workshops und Konferenzen teil, besuchten Gedenkstätten an die Opfer des Holocaust und des
Nazi-Regimes und tauschten sich aus mit deutschen KünstlerInnen und VertreterInnen von Erinnerungsprojekten.
Es entstanden enge Kontakte insbesondere zur Mahn- und Gedenkstätte in Ravensbrück und dem Haus der
Wannseekonferenz in Potsdam. Zudem begannen Anfal überlebende Frauen einen Austausch mit Frauen aus
Ruanda und Bosnien über Überlebensstrategien nach extremer Gewalt.
Delegation Anfal bei der Gedenkfeier zur Befreiung des KZ Ravensbrück im Gespräch mit Simone Gournay - Vizepräsidentin des Internationalen Ravensbrück Komitees, April 2009
Shazada Hussein Muhammad und Gulnaz Aziz Qadir auf einer Konferenz zum 20. Jahrestag von Anfal, April 2009
Anfal überlebende Frauen am Denkmal für die ermordeten Roma und Sinti in Berlin, 2012
Delegation Anfal bei der Gedenkfeier zur Befreiung des KZ Ravensbrück, April 2009
Projektwirkung
Mit der Initiative für ein Erinnerungsforum haben Anfal überlebende Frauen einen Schritt heraus gemacht
aus ihrem langjährigen Wartezustand und bearbeiten aktiv und gemeinsam ihre Gewalt- und Verlusterfahrungen.
Sie setzen dem herrschenden Diskurs über Anfal-Frauen als passive Opfer und Symbole des Leids ihre eigenen
Erinnerungen, Erzählungen und Stärken entgegen und engagieren sich aktiv in der gesellschaftlichen Debatte
um die Vergangenheit und die Gestaltung von Erinnerung .
Das Projekt verbindet psychosoziale Unterstützung mit Empowerment von Anfal überlebenden Frauen und
leistet einen Beitrag zur Auseinandersetzung mit der Vergangenheit unter aktiver Beteiligung der
Überlebenden und schafft so die Voraussetzungen für einen Dialog mit andren gesellschaftlichen Gruppen im Irak.
Umsetzung
Die Diskussionen mit der Kurdischen Regionalregierung um die Finanzierung und bauliche Umsetzung des Projekts
gestalteten sich schwierig. Es gab einigen Widerstand gegen einen partizipativen Gedenkort von unten, der mit
den vorherrschenden Vorstellungen einer monumentalen Erinnerungskultur an die kurdische Tragödie kontrastiert.
Inzwischen hat die Stadtverwaltung von Rizgari ein zentrales Baugrundstück gegenüber dem Friedhof, auf dem
bereits einige Hundert Anfal-Opfer begraben sind, bereitgestellt. Das Ministerium für Anfal und Märtyrer der
Kurdischen Regionalregierung hat die finanziellen Mittel für den Bau des Erinnerungsforums zugesagt .
Mit Baubeginn wird für Herbst 2014 gerechnet.
HAUKARI e.V. wird das Projekt mit eigenen und Mitteln des Deutschen Auswärtigen Amtes weiter begleiten und
beraten, die Anfal überlebenden Frauen bei der Entwicklung museumspädagogischer und gestalterische Konzepte der
Innengestaltung und der Nutzung des Forums als interaktive, Sozial- und Dialograum entwickeln und Foren schaffen
für den Austausch zwischen Anfal-Überlebenden und Überlebenden von Gewalt in anderen Konfliktkontexten
(Ruanda, Bosnien ) sowie mit deutschen Gedenk- und Erinnerungsprojekten.