Die Fotodokumentation

Die Lehmwand Kernstück des Erinnerungsforums wird eine fest installierte Ausstellung von Porträtfotos Anfal-Überlebender mit Erinnerungsstücken an ihre verschwundenen und ermordeten Angehörigen sein.

Mit Beratung von Prof. Michael Fehr porträtieren lokale Fotografen seit 2010 in regelmäßigen Fototerminen in Rizgari und Umgebung Anfal Überlebende. Für den Hintergrund der Fotos wurde eine transportable Lehmwand im Stil der lokal üblichen Hauswände gebaut.

Das mobile Fotostudio wird zu angekündigten Terminen in Rizgari und umliegenden Orten aufgebaut, um auch Anfal-Überlebende zu erreichen, die in entlegenen Dörfern leben und wegen Krankheit und Alter nicht reisen können. Anfal-Überlebende bringen Fotos, Ausweise, Kleidungsstücke oder persönliche Gegenstände ihrer Angehörigen mit. Wenn sie keine Erinnerungsstücke haben, schreiben sie die Namen ihrer Angehörigen in die Handfläche oder auf einen Zettel. Zusammen mit dem Foto werden ihre Daten, Kurzbiografien sowie die Geschichte der Erinnerungsstücke für das Archiv des Erinnerungsforums dokumentiert.

Den bisher entstandenen ca. 1200 Fotos sollen mehrere hundert weitere folgen. Die Fotos sollen als Galerie im Innenraum des Erinnerungsforums den Kern der Gedenkstätte bilden.

Fototermin in Rizgari Fototermin in der Region Germian

Das ständige Wachsen der Fotodokumentation ist ein zentrales Element der bisherigen Erinnerungsarbeit im Projektkontext. Die Fotos erzählen die Geschichte der Ermordeten/Verschwundenen ebenso wie die der Überlebenden, bilden eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart und spiegeln die Verschiebung des Fokus von der Trauer um die Toten zur Würdigung der Überlebenden in der Erinnerungsarbeit der Anfal-Überlebenden.

Mobiles Fototeam in der Region Germian Nicht nur Anfal-Überlebende Frauen, sondern auch zahlreiche Männer haben sich porträtieren lassen. Während sie anfangs einer Gedenkstätte von und für Frauen skeptisch gegenüberstanden, sehen sie das Projekt nun als Möglichkeit, ihren verschwundenen und ermordeten Frauen, Müttern und Töchtern ein Denkmal zu setzen. Dabei bringen auch sie ihre spezifischen Erinnerungen und Erfahrungen in den Diskussionsprozess mit ein.

Die regelmäßigen öffentlichen Fototermine in Rizgari und Umgebung haben sich zudem selbst zu Dialogräumen entwickelt. Hier treffen sie Anfal-Überlebende, erzählen sich gegenseitig ihre Geschichten und vervollständigen gemeinsam die Dokumentation. Viele kommen regelmäßig zu den Terminen, um andere Überlebende zu treffen.
Dorf in der Region Germian


Von der Konzentration auf die Toten zur Würdigung der Überlebenden

Mehrfach wurde die ständig wachsende Sammlung von Fotos in verschiedenen Städten Kurdistan-Iraks öffentlich gezeigt.
Zusammen mit den Fotos wurden Modelle für eine Frauenstatue am Erinnerungsforum ausgestellt - angefertigt von kurdischen KünstlerInnen nach Vorgaben und enger Abstimmung mit den Anfal überlebenden Frauen.
Die Ausstellungen haben das Projekt in Kurdistan-Irak bekannt gemacht, die Diskussion um die Gestaltung des Forums verbreitert und zur öffentlichen Wahrnehmung der Situation und Forderungen und Anfal überlebender Frauen beigetragen.

Zum Jahrestag von Anfal im April 2012 wurde die Ausstellung im Rahmen der öffentlichen Gedenkfeiern am Friedhof von Rizgari gezeigt. Hier sind 187 Anfal-Opfer beigesetzt - die meisten anonym. Viele hundert Weitere sollen nach Öffnung der Massengräber hier beerdigt werden. Mit der Ausstellung gelang es, bei den offiziellen Gedenkfeiern neben der Trauer um die Toten auch Raum zu schaffen für die Würdigung der Überlebenden.



Hier geht es zu einer Auswahl der Porträtfotos.




Das Gebäude

Nach fünfjährigem Diskussionsprozess um die bauliche Gestaltung des Erinnerungsforums wurde im Oktober 2013 der Bauentwurf des Architekturbüros Ingrid Moye/Christoph Zeller von allen Beteiligten begeistert aufgenommen. Der Entwurf nimmt alle Wünsche der Anfal überlebenden Frauen auf. Er integriert Versammlungshalle, Ausstellungsflächen und soziale und Ruheräume in eine schützende Außenmauer, verbindet traditionelle Materialien mit modernen Formen. So passt sich das Gebäude in die Landschaft von Germian ein und ist dennoch auffallend und trägt dem Bedürfnis der Frauen nach Sichtbarkeit Rechnung.
Außenansicht Gesamtansicht
Dachterrasse Garten

Das begehbare Dach ermöglicht den Blick auf den gegenüberliegenden Friedhof; der geschützte Innenraum bietet Platz für gemeinsames Gedenken, Ausruhen und soziale Aktivitäten. Die Außenmauer wirkt einerseits als Mahnung an das berüchtigte Gefängnis Nugra Salman, in dem viele Frauen während Anfal inhaftiert waren und erinnert zugleich an die schützenden Mauern der traditionellen Häuser in den währende Anfal zerstörten Dörfern von Germian. Der Entwurf wurde inzwischen auch vom Ministerium für Anfal und Märtyrer der Kurdischen Regionalregierung akzeptiert.

Lesen Sie mehr in einem Rundbrief von Haukari e.V. vom Dezember 2013 ("Das Erinnerungsforum nimmt Gestalt an").


Figürliche Frauenstatue

Auswahl Statuen Vor dem Eingang des Erinnerungsforums soll eine lebensgroße figürliche Frauenstatue die spezifische Erfahrung von Frauen unter den Anfal-Überlebenden repräsentieren und das Forum als vor allem von Frauen initiierten und gestalteten Ort kennzeichnen.
In intensiven Diskussionen mit lokalen KünstlerInnen entwickelten die Anfal überlebenden Frauen die Idee einer lebensgroßen Statue einer Frau mit einem toten Kind auf dem Arm und einem lebenden Kind an ihrer Seite. Die Figur soll sowohl den Schmerz und die Trauer, aber auch ihre Stärke und ihren Überlebensstolz ausdrücken. In mehreren Ausschreibungsrunden entstanden an die 15 Modelle. Bislang hat noch kein Entwurf die Frauen überzeugt - der gemeinsame Gestaltungsprozess geht weiter. Der Prozess der plastischen Ausgestaltung ihrer Erinnerung gibt den Frauen ein Forum zur Artikulation ihrer widersprüchlichen Gefühle zwischen Trauer und Hoffnung, Verzweiflung und Stolz.